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English: Urban district farm / Español: Granja de barrio urbano / Português: Fazenda de bairro urbano / Français: Ferme de quartier urbain / Italiano: Fattoria di quartiere urbana

Eine Stadtteilfarm ist ein urbanes Landwirtschaftsprojekt, das gezielt in städtischen Quartieren angesiedelt ist und soziale, ökologische sowie pädagogische Ziele verfolgt. Im Gegensatz zu klassischen Landwirtschaftsbetrieben steht hier nicht die kommerzielle Produktion im Vordergrund, sondern die Integration von Nahrungsmittelanbau, Gemeinschaftsbildung und Umweltbildung in den städtischen Raum. Besonders in dicht besiedelten Gebieten wie Bremen-Huchting dienen solche Projekte als Schnittstelle zwischen Stadtentwicklung und nachhaltiger Ressourcennutzung.

Allgemeine Beschreibung

Stadtteilfarmen sind multifunktionale Einrichtungen, die auf brachliegenden Flächen, Dachgärten oder speziell ausgewiesenen Arealen innerhalb von Stadtteilen betrieben werden. Sie kombinieren Elemente der urbanen Landwirtschaft mit gemeinwesenorientierten Ansätzen und richten sich an Anwohnerinnen und Anwohner aller Altersgruppen. Der Fokus liegt auf der lokalen Produktion von Obst, Gemüse und Kräutern, oft unter Anwendung ökologischer Anbaumethoden wie Permakultur oder biologisch-dynamischem Anbau. Die Bewirtschaftung erfolgt häufig durch ehrenamtliche Kräfte, lokale Initiativen oder in Kooperation mit sozialen Trägern.

Ein zentrales Merkmal von Stadtteilfarmen ist ihre partizipative Ausrichtung. Durch Mitmach-Angebote wie Workshops, Ernteaktionen oder Bildungsprogramme fördern sie den Austausch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Gleichzeitig tragen sie zur Verbesserung des Mikroklimas bei, indem sie Grünflächen schaffen, die Hitzeinseln reduzieren und die Biodiversität erhöhen. In Stadtteilen mit sozialer Benachteiligung können solche Projekte zudem einen Beitrag zur Ernährungssouveränität leisten, indem sie den Zugang zu frischen, regionalen Lebensmitteln verbessern.

Die rechtliche Einordnung von Stadtteilfarmen variiert je nach Standort und Trägerschaft. Häufig werden sie als gemeinnützige Vereine oder Genossenschaften organisiert, die mit kommunalen Einrichtungen, Wohnungsbaugesellschaften oder lokalen Unternehmen kooperieren. Die Finanzierung erfolgt oft durch öffentliche Fördermittel, Spenden oder durch den Verkauf von Überschüssen auf Wochenmärkten oder in Hofläden. In Bremen-Huchting sind solche Projekte Teil der städtischen Strategie zur nachhaltigen Stadtentwicklung, die im Rahmen des Programms „Bremen 2030" verankert ist.

Technische und organisatorische Details

Stadtteilfarmen nutzen verschiedene Anbausysteme, die an die urbanen Gegebenheiten angepasst sind. Häufig kommen Hochbeete, vertikale Gärten oder Gewächshäuser zum Einsatz, um Platz effizient zu nutzen und ganzjährige Erträge zu ermöglichen. Die Bewässerung erfolgt oft über Regenwassersammelsysteme oder geschlossene Kreisläufe, um den Wasserverbrauch zu minimieren. Bei der Auswahl der Pflanzen wird auf robuste, standortangepasste Sorten geachtet, die wenig Pflege benötigen und resistent gegen Schädlinge sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bodenqualität. Da urbane Böden häufig mit Schadstoffen belastet sind, werden in vielen Stadtteilfarmen Substrate aus Kompost oder speziellen Erdmischungen verwendet. In einigen Fällen kommen auch hydroponische Systeme zum Einsatz, bei denen Pflanzen ohne Erde in Nährlösungen kultiviert werden. Diese Methode eignet sich besonders für den Anbau in Innenräumen oder auf versiegelten Flächen.

Die Organisation von Stadtteilfarmen folgt meist einem partizipativen Modell, bei dem Entscheidungen gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern getroffen werden. Regelmäßige Treffen, Arbeitsgruppen oder digitale Plattformen dienen der Koordination von Aktivitäten und der Weiterentwicklung des Projekts. In Bremen-Huchting sind solche Strukturen oft in bestehende Quartiersmanagements eingebunden, um Synergien mit anderen sozialen und ökologischen Initiativen zu schaffen.

Normen und Standards

Stadtteilfarmen unterliegen verschiedenen rechtlichen und ökologischen Vorgaben. Für den Anbau von Lebensmitteln gelten die Richtlinien der EU-Öko-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/848), sofern die Produkte als „bio" vermarktet werden. Darüber hinaus müssen kommunale Vorschriften zu Flächennutzung, Lärmemissionen und Verkehrssicherheit beachtet werden. In Bremen sind solche Projekte häufig in das städtische Förderprogramm „Grün in der Stadt" eingebunden, das nachhaltige Grünflächenprojekte unterstützt (siehe Senatsbeschluss 2021/123).

Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

Stadtteilfarmen unterscheiden sich von anderen urbanen Landwirtschaftsformen durch ihren expliziten Gemeinschaftsbezug. Während „Urban Gardening"-Projekte oft individuell oder in kleinen Gruppen betrieben werden, sind Stadtteilfarmen auf die aktive Einbindung der lokalen Bevölkerung ausgelegt. Im Gegensatz zu kommerziellen Stadtfarmen, die primär auf Gewinn ausgerichtet sind, steht bei Stadtteilfarmen der soziale und ökologische Mehrwert im Vordergrund. Eine weitere Abgrenzung besteht zu „Solidarischer Landwirtschaft" (SoLaWi), bei der Verbraucherinnen und Verbraucher durch regelmäßige Beiträge die Produktion finanzieren und im Gegenzug Ernteanteile erhalten. Stadtteilfarmen sind dagegen offener gestaltet und richten sich an alle Interessierten, unabhängig von finanziellen Beiträgen.

Anwendungsbereiche

  • Soziale Integration: Stadtteilfarmen bieten Begegnungsräume für Menschen unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen und sozialer Hintergründe. Durch gemeinsame Aktivitäten wie Gartenarbeit, Kochkurse oder Feste fördern sie den Austausch und reduzieren soziale Isolation.
  • Umweltbildung: Sie dienen als außerschulische Lernorte, an denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene Wissen über ökologische Zusammenhänge, nachhaltige Ernährung und Kreislaufwirtschaft erwerben können. In Bremen-Huchting kooperieren Stadtteilfarmen häufig mit Schulen und Kitas, um Bildungsangebote direkt vor Ort anzubieten.
  • Stadtökologie: Durch die Schaffung von Grünflächen tragen Stadtteilfarmen zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Sie erhöhen die Biodiversität, binden CO₂ und reduzieren die Versiegelung von Böden. In dicht bebauten Stadtteilen wie Huchting können sie zudem als „grüne Lungen" wirken und Hitzeinseln entgegenwirken.
  • Ernährungssouveränität: In Stadtteilen mit geringem Angebot an frischen Lebensmitteln („Food Deserts") können Stadtteilfarmen den Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln verbessern. Durch den Verkauf von Überschüssen zu fairen Preisen oder durch Spenden an soziale Einrichtungen tragen sie zur lokalen Versorgung bei.
  • Stadtentwicklung: Stadtteilfarmen sind oft Teil von Quartierskonzepten, die auf eine nachhaltige und lebenswerte Stadtentwicklung abzielen. Sie können brachliegende Flächen temporär oder dauerhaft nutzen und so zur Aufwertung von Stadtteilen beitragen. In Bremen-Huchting sind sie in das Programm „Soziale Stadt" eingebunden, das die Lebensqualität in benachteiligten Quartieren verbessern soll.

Bekannte Beispiele

  • Stadtteilfarm Huchting (Bremen): Eines der bekanntesten Projekte in Bremen, das auf einer ehemaligen Brachfläche in Kooperation mit dem Quartiersmanagement und lokalen Initiativen entstanden ist. Die Farm umfasst Hochbeete, ein Gewächshaus und einen Gemeinschaftsgarten, in dem regelmäßig Workshops und Erntefeste stattfinden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Integration von Geflüchteten und Langzeitarbeitslosen durch Beschäftigungsprojekte.
  • Prinzessinnengärten (Berlin): Ein mobiles Urban-Gardening-Projekt, das auf einer Brachfläche in Berlin-Kreuzberg entstand und sich zu einem Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadtentwicklung entwickelte. Obwohl es sich nicht um eine klassische Stadtteilfarm handelt, zeigt es ähnliche Ansätze in der Kombination von Gemeinschaftsarbeit, Umweltbildung und lokaler Nahrungsmittelproduktion.
  • Stadtteilfarm Walle (Bremen): Ein weiteres Bremer Projekt, das sich auf die Integration von Menschen mit Behinderungen spezialisiert hat. Die Farm bietet barrierefreie Arbeitsplätze und Bildungsangebote an und kooperiert mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM).

Risiken und Herausforderungen

  • Flächennutzungskonflikte: In dicht besiedelten Stadtteilen stehen Stadtteilfarmen oft in Konkurrenz zu anderen Nutzungsinteressen wie Wohnungsbau, Gewerbe oder Verkehrsinfrastruktur. Die Sicherung von Flächen für langfristige Projekte ist eine zentrale Herausforderung, insbesondere wenn es sich um temporäre Nutzungen handelt.
  • Finanzierung und Nachhaltigkeit: Viele Stadtteilfarmen sind auf öffentliche Fördermittel oder Spenden angewiesen, was ihre langfristige Planung erschwert. Die Abhängigkeit von ehrenamtlichem Engagement kann zudem zu personellen Engpässen führen, insbesondere in strukturschwachen Stadtteilen.
  • Schadstoffbelastung: Urbane Böden sind häufig mit Schwermetallen oder anderen Schadstoffen belastet, die über die Nahrungskette aufgenommen werden können. Eine regelmäßige Bodenanalyse und der Einsatz von geschlossenen Anbausystemen sind daher unerlässlich, um gesundheitliche Risiken zu minimieren.
  • Soziale Exklusion: Trotz des partizipativen Ansatzes besteht die Gefahr, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen (z. B. Menschen mit Migrationshintergrund oder geringem Einkommen) nicht erreicht werden. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede oder mangelnde Zeitressourcen können die Teilnahme erschweren.
  • Klimawandel: Extremwetterereignisse wie Hitzeperioden, Starkregen oder Dürren stellen eine zunehmende Herausforderung für den Anbau in Stadtteilfarmen dar. Die Anpassung der Anbaumethoden und die Auswahl klimaresistenter Sorten sind daher von großer Bedeutung.

Ähnliche Begriffe

  • Urban Gardening: Ein Oberbegriff für verschiedene Formen des Gärtnerns in der Stadt, die sowohl privat als auch gemeinschaftlich organisiert sein können. Im Gegensatz zu Stadtteilfarmen steht hier oft der individuelle Anbau im Vordergrund, während der Gemeinschaftsaspekt weniger ausgeprägt ist.
  • Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi): Ein Modell, bei dem Verbraucherinnen und Verbraucher durch regelmäßige Beiträge die Produktion eines landwirtschaftlichen Betriebs finanzieren und im Gegenzug Ernteanteile erhalten. SoLaWi-Projekte sind meist kommerziell ausgerichtet und weniger auf Gemeinschaftsbildung fokussiert als Stadtteilfarmen.
  • Interkultureller Garten: Ein Gartenprojekt, das gezielt Menschen mit Migrationshintergrund einbindet und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen fördert. Während Stadtteilfarmen oft breiter aufgestellt sind, liegt der Fokus hier auf der interkulturellen Begegnung.
  • Permakultur: Ein ganzheitliches Konzept für nachhaltige Landwirtschaft, das auf ökologischen Prinzipien basiert und sich an natürlichen Ökosystemen orientiert. Stadtteilfarmen können Permakultur-Methoden anwenden, sind aber nicht darauf beschränkt.

Artikel mit 'Stadtteilfarm' im Titel

Zusammenfassung

Stadtteilfarmen sind urbane Landwirtschaftsprojekte, die soziale, ökologische und pädagogische Ziele verbinden. Sie schaffen Grünflächen in dicht besiedelten Stadtteilen, fördern die Gemeinschaftsbildung und tragen zur nachhaltigen Stadtentwicklung bei. Durch partizipative Strukturen und Bildungsangebote stärken sie die lokale Identität und verbessern den Zugang zu frischen Lebensmitteln. Gleichzeitig stehen sie vor Herausforderungen wie Flächennutzungskonflikten, Finanzierungsfragen und der Anpassung an den Klimawandel. In Bremen-Huchting sind Stadtteilfarmen ein wichtiger Bestandteil der Quartiersarbeit und zeigen, wie urbane Räume durch gemeinschaftliches Engagement lebenswerter gestaltet werden können.

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