English: migration background / Español: antecedentes migratorios / Português: histórico migratório / Français: antécédents migratoires / Italiano: retroterra migratorio
Der Begriff Migrationshintergrund bezeichnet in Deutschland Personen, die selbst oder deren Eltern nach 1949 in das heutige Bundesgebiet zugewandert sind. In Bremen, als Stadt mit einer langen Einwanderungsgeschichte, spielt dieser Begriff eine zentrale Rolle in sozialen, politischen und statistischen Diskursen. Er dient als Kriterium für Integrationsmaßnahmen, aber auch als Gegenstand gesellschaftlicher Debatten.
Allgemeine Beschreibung
Ein Migrationshintergrund liegt laut Definition des Statistischen Bundesamtes vor, wenn eine Person nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde oder mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde. Diese Definition umfasst sowohl zugewanderte Menschen als auch deren Nachkommen, selbst wenn diese in Deutschland geboren sind. In Bremen, einer Stadt mit historisch starker Zuwanderung, ist der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch.
Die Kategorie dient vor allem statistischen Zwecken, etwa zur Erfassung von Integrationsfortschritten oder zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Allerdings ist die Verwendung des Begriffs nicht unumstritten: Kritiker bemängeln, dass er eine künstliche Trennung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund schafft und damit Stigmatisierungen fördern kann. Zudem wird diskutiert, ob die Definition zu eng oder zu weit gefasst ist, da sie etwa Spätaussiedler oder Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit seit Generationen einschließt.
In Bremen wird der Begriff besonders in der Bildungs- und Sozialpolitik relevant. Schulen mit hohem Anteil an Schüler:innen mit Migrationshintergrund erhalten oft gezielte Förderprogramme, um Sprachbarrieren oder kulturelle Unterschiede auszugleichen. Gleichzeitig zeigt die Forschung, dass der Migrationshintergrund allein kein Indikator für Bildungsbenachteiligung ist – vielmehr spielen sozioökonomische Faktoren eine entscheidere Rolle.
Die Debatte um den Begriff reflektiert auch die historische Entwicklung Bremens als Hafenstadt, die seit Jahrhunderten von Zuwanderung geprägt ist. Im 20. Jahrhundert kamen zunächst Gastarbeiter:innen aus der Türkei, Italien und Spanien, später Geflüchtete aus Krisenregionen. Heute leben in Bremen Menschen aus über 180 Nationen, was die Stadt zu einem Mikrokosmos globaler Migration macht.
Statistische Erhebung in Bremen
Laut dem Statistischen Landesamt Bremen hatten im Jahr 2022 etwa 42 % der Bremer Bevölkerung einen Migrationshintergrund – ein Wert, der deutlich über dem Bundesdurchschnitt von rund 28 % liegt. Besonders hoch ist der Anteil in Stadtteilen wie Gröpelingen oder Vegesack, die traditionell von Zuwanderung geprägt sind. Die häufigsten Herkunftsländer sind die Türkei, Polen und Syrien, gefolgt von Menschen aus EU-Staaten wie Italien oder Rumänien.
Die Erhebung des Migrationshintergrunds erfolgt in Bremen vor allem über Schulstatistiken, Melderegister und Befragungen. Dabei wird zwischen "eigenem Migrationshintergrund" (Person ist selbst zugewandert) und "elterlichem Migrationshintergrund" (Person ist in Deutschland geboren, aber mindestens ein Elternteil zugewandert) unterschieden. Diese Differenzierung ist wichtig, um Integrationsprozesse zwischen den Generationen zu analysieren.
Anwendungsbereiche
- Bildungspolitik: Schulen nutzen den Migrationshintergrund als Indikator für Sprachförderbedarf oder interkulturelle Projekte. In Bremen gibt es spezielle Programme wie "Bildungspaten", die Kinder mit Migrationshintergrund unterstützen.
- Sozialarbeit: Jugendzentren oder Migrationsberatungsstellen richten ihre Angebote oft an Menschen mit Migrationshintergrund, etwa durch interkulturelle Elternabende oder Berufsorientierung.
- Stadtplanung: Bei der Quartiersentwicklung werden Daten zum Migrationshintergrund berücksichtigt, um etwa mehrsprachige Angebote oder Begegnungsstätten zu schaffen.
- Arbeitsmarkt: Die Agentur für Arbeit erfasst den Migrationshintergrund, um gezielt gegen Diskriminierung vorzugehen oder Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten.
Bekannte Beispiele
- Gastarbeiter-Anwerbeabkommen: In den 1960er- und 1970er-Jahren warb die Bundesrepublik Arbeitskräfte aus der Türkei, Italien und anderen Ländern an. Viele blieben in Bremen und prägten Stadtteile wie Gröpelingen nachhaltig.
- Flüchtlingszuwanderung seit 2015: Bremen nahm proportional mehr Geflüchtete auf als andere Bundesländer, insbesondere aus Syrien und Afghanistan. Dies führte zu neuen Integrationsherausforderungen, aber auch zu kultureller Bereicherung.
- Bremer "Interkulturelle Woche": Seit Jahrzehnten veranstaltet die Stadt eine jährliche Woche mit Events zu Migration und Integration, an der Vereine, Schulen und Communities mit Migrationshintergrund mitwirken.
Risiken und Herausforderungen
- Stigmatisierung: Der Begriff kann dazu führen, dass Menschen mit Migrationshintergrund pauschal als "anders" oder "problematisch" wahrgenommen werden, selbst wenn sie seit Generationen in Deutschland leben.
- Datenmissbrauch: Statistiken zum Migrationshintergrund können politisch instrumentalisiert werden, etwa um Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen zu schüren.
- Vereinfachte Kausalitäten: Oft wird der Migrationshintergrund als alleinige Erklärung für soziale Probleme herangezogen, obwohl Faktoren wie Armut oder Bildungszugang eine größere Rolle spielen.
- Selbstwahrnehmung: Manche Menschen mit Migrationshintergrund lehnen den Begriff ab, weil sie sich primär als Deutsche sehen und die Kategorie als fremdbestimmt empfinden.
Ähnliche Begriffe
- Person mit Zuwanderungsgeschichte: Ein alternativer Begriff, der den Prozess der Migration betont, aber weniger stigmatisierend wirken soll. Wird in einigen Bundesländern bevorzugt.
- Diaspora: Bezeichnet Gruppen, die außerhalb ihres Herkunftslandes leben, aber eine gemeinsame Identität bewahren (z. B. türkische Diaspora in Bremen).
- Interkulturalität: Ein Konzept, das den Austausch zwischen Kulturen betont – im Gegensatz zum Migrationshintergrund, der oft als defizitärer Zustand wahrgenommen wird.
- Spätaussiedler:in: Menschen deutscher Herkunft aus Osteuropa, die seit den 1990er-Jahren nach Deutschland zuwanderten. Sie gelten statistisch als Menschen mit Migrationshintergrund, obwohl sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Zusammenfassung
Der Begriff Migrationshintergrund ist in Bremen ein zentrales Instrument zur Beschreibung und Analyse von Zuwanderung und Integration. Er umfasst Menschen mit eigener oder elterlicher Einwanderungsgeschichte und wird in Politik, Bildung und Sozialarbeit genutzt. Gleichzeitig ist seine Verwendung umstritten, da er Stigmatisierungen fördern und komplexe Identitäten vereinfachen kann. Bremen zeigt als Stadt mit hoher internationaler Prägung sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen des Zusammenlebens: Einerseits bereichert Migration die Kultur und Wirtschaft, andererseits bestehen strukturelle Ungleichheiten, die nicht allein durch den Migrationshintergrund erklärt werden können.
Die Debatte um den Begriff spiegelt größere gesellschaftliche Fragen wider – etwa danach, wer als "deutsch" gilt und wie Vielfalt ohne Ausgrenzung gestaltet werden kann. Für Bremen als weltoffene Hafenstadt bleibt die Auseinandersetzung mit dem Migrationshintergrund daher ein dynamischer Prozess.
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